Beim dritten Versuch brachte ich den Kellner dazu, mir eines zu bringen, leider nur eine Gabel.
In Kuba ist alles rationiert, und es sind nicht genug Messer da; sie mussten für mich eins waschen. Offenbar ist sogar Salz rationiert - kurz darauf nimmt ein Kellner mir das ohnehin fast leere Salzfass weg, wobei er mich freundlich anlächelt. Und das in diesem Hochglanz-Tempel des Kapitalismus! Die Musiker und Tänzer sind Hochklasse! Dafür gibt es, wie ich gerade erfahre, die Mehrzahl der Nachtische und Cocktails nicht mehr - die meinen es überall ernst mit dem Sozialismus!
Die Tänzer holen jetzt Leute aus dem Publikum auf die Bühne. Beim Jupiter, können die sich bewegen! Wie der Trommler es schafft, das zu spielen, was er spielt, ist mir auch ein Rätsel. Wahnsinn!
24. März
!Cono! ist hier ein häufig benutztes Wort. Je nach Zusammenhang heißt es „Hey, Alter!“ oder „Toll, Mann!“, „verdammter Mist“ oder „Kumpel“. Wörtlich übersetzt heißt es „Fotze“. Ich sitze in der Wohnung von L`s Familie. Für kubanische Verhältnisse eine ganz erträgliche Behausung, bis auf den hier allgegenwärtigen Dieselgestank.
Vorgestern führte L. mich durch die „Calle Hammel“, die Atelierstraße des hiesigen Malers Senor Hammel - Kunst, die mir wenig sagt (aber welche Kunst sagt mir schon was, ich Banause). Dort sprach sie eine Weile mit einem großen schwarzen Sportler namens Harald. Von da aus gingen wir zum Treffpunkt mit dem illegalen Amerikaner, der aber nicht aufkreuzte, dann weiter zu einem Chinesen im hiesigen Chinatown, wo ich die erste essbare Mahlzeit seit Ankunft erhielt. Ich mochte es sehr. Unser amerikanischer Freund erzählte am Abend, dass er vom Essen in ebendiesem Restaurant mal sehr krank geworden ist.
Und wieder heißt es Warten - ein Zustand, der mir auf Kuba immer vertrauter wird.
Heute kam die Torte für Josés Tochter. Fidel Castro schenkt jedem Kind unter 10 Jahren zum Geburtstag eine Torte, ca. 70x40x30 cm. Leider konnte er heute nicht persönlich vorbeischauen; er hatte irgendwas Dringendes, Politisches zu erledigen. Diese Torten sehen aus, als wären sie direkt aus dem hergestellt, was bei Hoechst aus den Abfallrohren fließt. Das Geschmackserlebnis ist wie ein Cricketschlag in den Solarplexus.
25. März
Geburtstagsfeier von Hilda, Josés Tochter. Ich stehe auf einer Aussichtsplattform vor der Feier (das Gebäude sieht aus wie ein stillgelegtes großes Hotel), blicke auf Plattenbauten und zerbröselnde Mietshäuser. Ich löffle eine Eiscreme in sozialistischer Herstellungsqualität, Sorte „Malta“, ein weiteres kubanisches Geschmacksverbrechen irgendwo zwischen Mokka, Vanille und Straßenteer. Soweit alles nichts Besonderes. Die Sonne scheint. Ich empfinde eine tiefe grenzenlose Dankbarkeit für mein Leben, für den grotesken Wohlstand, in dem ich lebe, für die Liebe, die mich umgibt, für meine wundervollen Freunde, für das Großartige der Schöpfung, sowie für etwas, das ich kaum benennen kann, vielleicht das Licht. Nein, ich glaube nicht, dass LSD in der Eiscreme ist.
Am Abend vegetarisches Chop Suey. Ich schließe daraus, Chop Suey ist chinesisch für „Küchenabfall“.
Ach, das Tauchen war Superspitze. Das war in diesem Land das Einzige mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, US$ 30 für eine Stunde mit Klasse-Führung.
Meine Geliebte gebärdet sich zunehmend seltsam. Sie sagt mir ständig, wie wundervoll und besonders ich bin, wie attraktiv, wie sehr sie mich liebt und braucht, dass ich sie ständig stark errege; sie flüstert mir Sachen ins Ohr, die ich nicht veröffentlichen werde, und setzt sie auch gelegentlich in die Tat um. Andererseits schert sie sich überhaupt nicht um meine Gefühle, und
sobald etwas nicht nach ihrer Nase geht
, bin ich langweilig oder egoistisch, sie schnaubt, knallt die Tür und stolziert davon. Teilweise ist das wohl Sternzeichen Löwe, teilweise das hiesige Temperament. Aber ich finde, sie übertreibt. Auch sonst widerspricht sie sich häufig selbst. Meine Vorschläge für Unternehmungen, hauptsächlich Dinge, von denen ich weiß, dass sie sie interessieren, wischt sie schnaubend vom Tisch, um mir ein paar Stunden später dasselbe vorzuschlagen und mir darzulegen, wie blöde ich sei, wenn ich nicht mitmachen will.
Offensichtlich sucht sie nach Gründen, die es ihr leichter machen, mich morgen gehen zu lassen. Trotz aller Schwierigkeiten bin ich auch traurig, dass wir uns dann wohl nicht mehr sehen werden. Am letzten Abend kriege ich es nicht hin, es schön ausklingen zu lassen. Weil ich noch fünf Minuten haben will, um etwas zu besprechen, bevor wir ausgehen, schießt L. wutschnaubend davon. Mir reicht`s, ich laufe nicht hinterher und mache einen Spaziergang. Um vier Uhr morgens kommt sie zurück. Die Trennung ist etwas komisch. Trotzdem ist mein Gefühl, dass es so in Ordnung ist.
Alles in Allem war es ein prima Urlaub.
Meine Empfehlung für den Magen: Umeboshi. Das sind kleine japanische Salzaprikosen. Man bekommt sie in einigen wenigen Naturkostläden. Sie werfen Zucker und Schadstoffe aus dem Körper und machen das Blut alkalisch. Außerdem unterstützen sie den Darm. Hätte ich nicht am Tag mindestens eine Umeboshi gegessen, wäre ich am kubanischen Essen wahrscheinlich jämmerlich verendet.